Gedanken zu den Atomkraftwerksunfällen

Entsetzt sitzen wir vor den Bildschirmen und erleben die Katastrophen hautnah. In unserem Forum las ich die Vermutung, dass dieses Problem möglicherweise ein Nationales sei, aber dem ist nicht so.

Alles, was in unserem Leben in unser Bewusstsein tritt, liegt auch in unserer eigenen Verantwortung. Wir sind die Schöpfer unserer Realität, und wenn wir solche Katastrophen mit ansehen, sollten wir uns fragen, inwieweit auch wir dafür verantwortlich sind.

Aufgrund unserer großen Entfernung zu Japan betrachten wir uns meist nur als Beobachter und meinen an deren Katastrophen keinen Anteil zu haben. Und oft begleiten uns Gedanken, von Glück, dass wir dieses Schicksal nicht selbst erleiden. Wir meinen, es sind deren selbst gemachte Probleme, für die sie jetzt geradestehen müssen, und sind stolz darauf, dass Österreich das einzige Land der Welt ist, das aus der Atomenergie ausgestiegen ist, bevor es noch drin war.

Aber erinnern wir uns zurück an den 5. November 1978, an den Tag, an dem die Volksbefragung über Zwentendorf stattfand. 5,083.673 Österreicher waren stimmberechtigt. Und obwohl diese Frage jeden einzelnen Bürger unseres Landes betraf, gab es mit 3,259.118 Stimmen nur eine Beteiligung von 64,10%. 1,576.839 stimmten für die Inbetriebnahme, also 49,53%. 50,47% nämlich 1,606.308 Stimmberechtigte waren dagegen. Letztendlich entschied sich diese Frage nur durch die Differenz von 30.000 Stimmen. Ihnen verdanken wir es, dass wir uns heute zurücklehnen, und ähnlich wie Pilatus, bei seinem Urteil über Jesus Christus, unsere Hände in Unschuld waschen können.

Und anstatt Mitgefühl für diese Menschen zu empfinden und für sie zu beten, dass sie möglichst heil diese Katastrophe überstehen, beginnen wir erneut zu urteilen. Wir beschäftigen uns mit Fragen und Anklagen, wie man in einem so erdbebenreichen Land so viele Kraftwerke errichten kann, und beschuldigen sie für die weitreichenden Folgen, die diese Katastrophen mit sich bringen werden.

Wir sorgen uns um unsere Gesundheit und die Verseuchung unserer Nahrungsmittel. Wir bezichtigen Politiker und Wirtschaftsleute der Gier und vergessen dabei, wie wichtig uns selbst unsere eigene Bequemlichkeit und die Befriedigung unserer persönlichen Bedürfnisse sind. Wir kaufen immer mehr Produkte, die einer Stromquelle bedürfen. Denken wir nur an Raumluftreiniger, Handtuchtrockner, Heizdecken, Wasserbetten, elektrische Zahnbürsten, Dampfbesen, automatische Bewässerungsanlagen, Laubsauger, etc.. Brett- oder Gesellschaftsspiele sind uns fremd, stattdessen vergnügen wir uns mit PC-Spielen oder mit diversen Spielekonsolen. Unser Familienleben ist meist geprägt durch stundenlanges Fernsehen, und wenn das Programm nicht unserem Geschmack entspricht, leihen wir uns Videofilme, um unterhalten zu werden. Es sind unsere eigenen Bedürfnisse, die Bedürfnisse jedes Einzelnen, die unsere Ressourcen schrumpfen lassen und Regierungen und Wirtschaft veranlassen, gefährliche Energiegewinnung zu akzeptieren.

Der Stromverbrauch österreichischer Haushalte liegt mit 4.770 Kilowattstunden (kWh) im Jahr deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 4.040 kWh. Auf der Liste der Stromverbraucher in der EU nimmt Österreich damit den 7. Platz ein.

In Österreich existieren zwar keine Kernkraftwerke, doch importieren die Verbundgesellschaft und die Landesgesellschaften aus anderen Staaten Atomstrom. Größtenteils werden dazu überhaupt keine offiziellen Zahlen bekannt gegeben. Bereits im Jahr 2003 kritisierten die Umweltorganisationen Greenpeace und GLOBAL 2000, dass der Atomstromanteil in Österreich aufgrund der ständigen Verbrauchssteigerungen (durchschnittliche Steigerung ca. 2% pro Jahr) bereits bei 20 Prozent liegt.

Wir rühmen uns gegen die Inbetriebnahme eines Atomkraftwerkes in unserem Land gewesen zu sein, während wir gleichzeitig unsere Bedürfnisse auf dem Rücken anderer abdecken. Wären wir bereit auf Atomstrom aus anderen Ländern zu verzichten und unseren Strombedarf einzuschränken? Wie kämen wir mit stundenweiser Abschaltung in den Abendstunden in Privathaushalten zurecht? Selbst am autofreien Tag, der letztes Jahr am 22. September stattfand, beteiligten sich in Österreich 193 Städte und Gemeinden von 2.230.

Oft werfen wir Politik und Wirtschaft aufgrund von Macht und Gier vor, ihre Ideale zu vergessen, obwohl sie doch letztendlich unsere eigene mangelnde Selbstverantwortung spiegeln. Trotz unseres NEIN zur Nutzung von Atomenergie ist Österreich Mitglied bei Euratom, eine europäische Atomgemeinschaft zur Förderung der Atomindustrie mit Milliardenkrediten. Wir zahlen damit jährlich zig Millionen Euro für die Atomindustrie mit. Obwohl ein Ausstieg aus diesem Vertrag von der Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union unberührt bliebe, wurde diese Entscheidung bis heute nicht getroffen.

Wie viel Verantwortung tragen demnach auch wir an dieser Katastrophe?

Statt anzuklagen, sollten wir voll Mitgefühl und Dankbarkeit sein, dass die derzeit stattfindenden Katastrophen uns wachrütteln. Dank dieser Unglücksfälle findet weltweit ein Umdenkprozess statt, der ansonsten nicht zustande gekommen wäre. Aber dieses Umdenken sollte nicht nur im Hinblick auf die Energiegewinnung gerichtet sein, sondern vielmehr auch auf die verantwortungsvolle Nutzung jedes Einzelnen.

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